Aussicht auf Übernahme höherer Mietkosten durch aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts Sozial- und Rentenberatung der AWO rät zu umgehenden Überprüfungsanträgen

Vielen Menschen, die Arbeitslosengeld II (ALG II) vom Jobcenter oder Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung  oder auch Sozialhilfe vom Sozialamt des Landkreises Nienburg beziehen, wird mit dem Urteil des BSG vom 17. September ( Az. B 4 AS 22/20 R ) diesen Jahres eine Chance auf Übernahme höherer Mietkosten eröffnet.

Mit diesem Urteil hat das Bundessozialgericht seine Rechtsprechung zur Berechnung „angemessener“ Unterkunftskosten für Beziehende von ALG II bekräftigt und weiter konkretisiert.
In seiner Urteilsbegründung argumentiert das BSG, dass unabhängig von den Konzepten zur Ermittlung angemessener Mieten entscheidend sei, dass ALG II-Beziehende tatsächlich auch zu den in der entspr. Mietrichtwerttabelle festgesetzten Angemessenheitsgrenzen eine Wohnung erhalten können.

Sofern laut BSG die Datenbank nur oder überwiegend Wohnungen einfachen Standards erfasst, etwa von Wohnungsbaugesellschaften, oder sogar die Miet- und Betriebskosten der örtlichen ALG II-Beziehenden, führe dies zu einem unzulässigen Zirkelschluss und einer Abwärtsspirale der „angemessenen“ Wohnungen. Ausreißer ausgenommen, sei dann daher auf die obere Kostengrenze dieses Segments abzustellen.

Wie den Erhebungen zur derzeit geltenden Mietrichtwerttabelle des Landkreises Nienburg zu entnehmen ist, stammen 53 Prozent, und damit die überwiegenden Mietwohnungsangebote für das Nienburger Stadtgebiet von der  örtlichen Wohnungsbaugesellschaft GBN und der restliche Datenbestand auch für das Landkreisgebiet überwiegend aus Daten des Jobcenters und Kreissozialamtes. Auch der mit 33 Prozent festgelegte Wert entspricht, wie auch weitere Punkte, bei weitem nicht der jüngsten BSG-Forderung von einer Festlegung dieses Wertes auf die obere Kostengrenze dieses Segments.

Damit dürfte die derzeitige Mietwertrichtlinie augenscheinlich bei weitem nicht den vom BSG konkretisierten Anforderungen entsprechen.

Leistungsbeziehenden mit Familien bis zu fünf Personen, denen bisher keine vollständige Übernahme der monatlichen Bruttokaltmietkosten gewährt wurde, empfiehlt die AWO-Sozial- und Rentenberatung die umgehende Stellung eines „Überprüfungsantrages“ rückwirkend für die Zeit ab 1. Januar 2019!

Bei Familien ab sechs Personen sieht die Mietrichtwerttabelle als Richtwert die entsprechenden Sätze der Wohngeldttabelle + 10 Prozent Sicherheitszuschlag entsprechend der Rechtsprechung des BSG vor. Bei Familien bis zu fünf Angehörigen weisen die Werte die Ergebnisse der von der Fa. Empirica vorgenommenen Datenerhebung aus. Die nach der Wohngeldtabelle + Sicherheitszuschlag von 10 Prozent ausgewiesenen Werte sind natürlich im Vergleich zu den durch Empirica ermittelten Daten bedeutend höher.

Sollten von den beteiligten Behörden die mit Überprüfungsanträgen monierten Kostenfestsetzungen nicht akzeptiert werden, besteht die Möglichkeit, kostenlos Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen.

Weitere Beratung sowie Hilfe bei der Stellung der notwendigen Anträge geben Jutta Laube und Heinz Lüneberg in der immer montags von 9 bis 11 Uhr stattfindenden offenen Sozialberatung der AWO im AWO-Haus „Altes Zollamt“ in der von Phillipsborn-Str. 2a in Nähe des Nienburger Bahnhofs

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Veröffentlichung

Do, 08. Oktober 2020

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